09.09.2022
Bereits morgens um 07.30 Uhr starten wir Sorores am Bahnhof Stans zum Jubiläumsausflug 20 Jahre Soroptimist Club Innerschweiz. Mit der Bahn erreichen wir frohen Mutes und gespannt unser erstes Etappenziel, die Stadt Solothurn. Sie empfängt uns in Festlaune, feiert man doch an diesem Wochenendende „2000 Jahre Solothurn“. Bei der Kathedrale St. Ursen begrüsst uns Frau Ramona von Gunten, die uns auf einem Stadtrundgang mit dem Thema „Heilige, Damen, Hexen und Dirnen – Frauen bewegen Solothurn“ in deren Bann ziehen wird. Die älteste Geschichte berühmter Frauen betrifft die der Hl. Verena. Der Legende nach lebte sie im Jahrhundert in der nach ihr benannten Verena-Schlucht und soll als Heilerin vielen kranken Menschen geholfen haben. Zusammen mit Ursus und Victor wird sie als Stadtheilige von Solothurn verehrt, deren Statuen auf der St. Ursen-Kathedrale zu finden sind. Neben der Kathedrale befindet sich das Patrizierhaus der Familie von Roll (Eisenwerke). Dort lebte und wirkte im 16. Jahrhundert Barbara von Roll, verheiratete von Luternau. In die Geschichte der Stadt Solothurn ging Barbara von Luternau-von Roll als sich aufopfernde adelige Wohltäterin mit grossem medizinischen Wissen ein.
Unser Spaziergang führt uns weiter zum historischen Rathaus. Frau von Gunten erzählt uns hier schauerliche Geschichten zum Thema Hexen. Vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert wurden im Rathaus unzählige Schuldsprüche gefällt, bei denen insbesondere Frauen grundlos der Hexerei bezichtigt wurden. Grauenhafte Foltermethoden und der Tod auf dem Scheiterhaufen waren die Folge. Als letzte „Hexe“ im Kanton Solothurn wurde 1707 die 27 Jahre alte Magdalena Marti wegen einfachen Diebstahls bei lebendigem Leib verbrannt. Schrecklich!!
Glücklich, in der heutigen Zeit leben zu dürfen, machen wir uns auf den Weg zum Ambassadorenhof. In den wunderbaren Gebäuden residierten früher die Gesandten des französischen Königshauses als Ambassadoren (Botschafter). Unsere Stadtführerin weist auf den separaten Flügel dieses Hofs hin, der allein für die Mätressen der Ambassadoren reserviert war! Den Patres des angrenzenden Franziskanerklosters dürften der Prunk und die Völlerei der Ambassadoren und ihrer Entourage wohl ein ständiger Dorn im Auge gewesen sein.
In unmittelbarer Nähe der Franziskaner-Klosterkirche stand das ehemalige Haus Lämmlein, in dem zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert Beginen selbständig und ohne männliche Aufsicht lebten. Beginen waren Mitglieder von religiösen Laiengemeinschaften mit Gelübde auf Zeit. Sie richteten ihr Leben am Armuts- und Bussideal in der Nachfolge Jesu Christi aus und verrichteten vor allem karitative Tätigkeiten für Kranke, Arme und Sterbende. Sie gründeten in Solothurn ein Spital, die Gemeinschaft der Beginen wurde jedoch nach dem Konzil von Trient im Jahre 1605 in Solothurn verboten.
Frau von Gunten erwähnt auch das Kloster Visitation in Solothurn, wo unter anderen die Nonne Sr. Margrith-Marie wirkte. Sie trat 1942 in Kloster ein und war bis ins hohe Alter von 90 Jahren als Sr. Ökonomin aktiv. Sie hielt als Frau das Kloster mit den zugehörigen, umfangreichen Liegenschaften derart in Schuss, dass sie auch in der Öffentlichkeit als grosse Persönlichkeit und äusserst gewiefte Managerin geschätzt wurde.
Unser Spaziergang führt uns weiter durch die Stadt, vorbei am Zeitglockenturm bis zum Landhausquai an der Aare. Die heutige Flaniermeile hat eine reiche Vergangenheit. Im 15. bis 16. Jahrhundert gingen hier „Hübschlerinnen“ im „Frauenhaus“ ihrem horizontalen Gewerbe nach. Sie waren von der Stadt angestellt und hatten somit ein gesichertes Einkommen. Auch der „Hurenweibel“, der zusätzlich als Henker amtete, lebte in dieser Gegend. Mit der Reformation wurde dieses Gewerbe verboten und in der Folge siedelten sich andere Gewerbe- und Gastrobetriebe an. In den 1980er Jahren wurde diese Strasse berühmt-berüchtigt als zweitgrösster Drogenumschlagplatz der Schweiz.
Nach dem Überqueren der Aare erreichen wir die ehemalige Vorstadt, wo früher das minderbemittelte Volk lebte. Hier waren das Waisenhaus, das Prison (Gefängnis) und auch das alte Spital angesiedelt. Das aus dem 14. Jahrhundert stammende Spital versorgte und betreute zusätzlich Pilger und Bettler, bis es im 18. Jahrhundert nur noch als Spital geführt wurde. Das Pflegepersonal wurde aus Solothurner Patriziertöchtern rekrutiert, die durch Beginen aus Porrentruy ausgebildet wurden. Eine wesentliche Rolle in der Geschichte des Spitals spielte die Patriziertochter Gertrud von Sury. Sie lebte im 18. Jahrhundert als fromme Büsserin, pflegte Kranke, nahm sich Armen und Waisen an und errichtete Stiftungen, unter anderen auch zugunsten des Spitals Solothurn. Der Spitalbetrieb wurde in den 1960er Jahren eingestellt und das Gebäude in ein Hotel umgebaut. Als Zeitzeugin ist noch die alte, sehenswerte Spitalapotheke erhalten geblieben, die wir besichtigen konnten.
Frau von Gunten erinnerte daran, dass selbstverständlich auch in der Neuzeit immer wieder Frauen Solothurn bewegt haben, so werden unter anderem gegenwärtig sieben Gemeinden von Gemeindepräsidentinnen geführt! Nach dieser äusserst interessanten und spannenden Tour durch die Stadt Solothurn wird Frau von Gunten mit dem herzlichsten Dank verabschiedet und uns bleibt noch etwas Zeit für einen Bummel oder zum Käfälä.
Um die Mittagszeit besteigen wir das Aare-Schiff, wo bereits der Apéro auf uns wartet. Auf der gemütlichen Schifffahrt, die als eine der schönsten der Schweiz gilt, geniessen wir das Mittagessen und das kameradschaftliche Beisammensein mit angeregten Gesprächen. Vorbei an der Storchensiedlung Altreu, dem historischen Städtchen Büren an der Aare und mit der eindrücklichen Schleusenfahrt in Port erreichen wir die Stadt Biel. Dort wechseln wir das Schiff, das uns auf dem Bielersee entlang wunderschöner Rebberge und malerischer Ortschaften bis nach Ligerz bringt.
Der Besuch des Rebbaumuseums Hof Ligerz ist unser nächster Programmpunkt. Das Museum ist in einem feudalen Edelsitz, der 1555 von den Freiherren von Ligerz erbaut wurde, untergebracht. Seit 1970 ist es im Besitz der damals neu errichteten Stiftung „Rebbaumuseum Bielersee“. Im Innenhof des Anwesens werden wir von der Kuratorin des Museums herzlich willkommen geheissen. Sie führt uns in die Geschichte des Hauses ein und begleitet uns durch den zweigeschossigen, wuchtigen Bau. Im Untergeschoss befindet sich der Gewölbekeller sowie der Fass- und Trüelkeller, wo riesige Weinfässer mit einem Fassungsvermögen von bis zu 8100 Litern, eine alte Trotte (Presse) und eine völlig intakte Brennerei bestaunt werden können. Im Parterre bewundern wir den prächtig möblierten Cheminéesaal mit der sehenswerten Cheminéeumrandung, sowie eine Sammlung aus zwei Jahrhunderten Flühli-Glas und schmucke Sonntags- und Werktagstrachten aus Ligerz. Der Erkersaal liegt im 1. Stock und war ursprünglich wohl der repräsentativste Raum des Hauses. Der Erker war mit einer Eisentüre versehen und diente als Archiv und Tresor für Wertschriften, Verträge, Geld und Schmuckstücke. Bemerkenswert ist auch die in diesem Raum ausgestellte, aus dem 19. Jahrhundert stammende Kamera mit Zubehör des Alfred Engel-Feitknecht, eines Fabrikanten von fotografischen Apparaten aus Twann. Im imposanten Estrich mit seiner sehenswerten Dachkonstruktion (Krüppelwalmdach), befindet sich die Ausstellung „Das Jahr der Rebe“. Eine Tafel zeigt die verschiedenen Weiss- und Rotweinsorten. Traditionell wurden am Bielersee als weisse Hauptsorte Gutedel (Chasselas) und als rote Hauptsorte Blauburgunder oder Spätburgunder (Pinot noir) angebaut. In den letzten Jahren liessen ein liberaleres Rebgesetz und die freie Sortenwahl den Sortenkatalog am Bielersee auf über 50 verschiedene Sorten anwachsen. Die Kuratorin erläutert uns anhand von Bildern und Gegenständen auf spannende und interessante Weise die verschiedenen Rebarbeiten vom Schneiden und Veredeln der Rebstöcke, den Anbautechniken, der Bodenbearbeitung, der Pflege und dem Schutz der Pflanzen bis hin zur Ernte. Abgerundet wird die Ausstellung mit Blick auf die Küferei, die verschiedenen Lager- und Transportmöglichkeiten des Weins sowie von Flaschenformen und -grössen, Weinetiketten. Korken, Korkenzieher und Verschlusssystemen. Ein Teil der ständigen Ausstellung im Dachgeschoss streift die Geschichte der Fischerei am Bielersee.
Nach dem interessanten Rundgang treffen wir uns im gemütlichen Mittelkeller zur ausgiebigen Degustation der feinen Weine vom Bielersee. Sie schmecken uns ausgezeichnet. Wir bedanken uns herzlich bei der Kuratorin für die interessanten und wissenswerten Einblicke in den Rebbau und machen uns gutgelaunt mit der Bahn auf die Heimreise.
Der Jubiläumsausflug 20 Jahre Soroptimist Club Innerschweiz ist in allen Teilen sehr gut gelungen und wird uns allen in bester Erinnerung bleiben.