31.05.2022

GasseChuchi

Pünktlich um 19.00 Uhr treffen wir in der GasseChuchi am Geissensteinring 24 in Luzern ein. Frau Olivia Allemann begrüsst uns herzlich und freut sich über unser Interesse. Frau Allemann ist als Pflegefachfrau und Sozialarbeiterin seit sieben Jahren für den Verein Kirchliche Gassenarbeit Luzern tätig. Der heutige Abend wird eine Präsentation mit Informationen sowie die Hausbesichtigung beinhalten. Zur Einstimmung auf das Thema zeigt uns Frau Allemann bekannte, aber immer noch erschütternde Bilder aus den 1980 er Jahren, welche die offene Drogenszene Platzspitz und Letten in Zürich, sowie der Eisengasse in Luzern dokumentieren. Diese desolaten und menschenunwürdigen Zustände mit einer hohen Zahl von Hepatitis- und HIV-infizierten Drogenabhängigen und steigenden Todesfallraten zwangen in den 1990er Jahren die Politik zum Handeln. Die künftige Schweizer Drogenpolitik setzte sich zum Ziel, den Drogenkonsum und seine negativen Folgen für die Konsumierenden und die Gesellschaft nachhaltig zu vermindern. Dabei stützte sie sich auf die vier Säulen: Prävention, Therapie, Schadensminderung, Repression. Für die Umsetzung der Säule Schadensminderung wurde in Luzern der Verein Kirchliche Gassenarbeit gegründet, der folgende Angebote für suchtkranke Menschen zur Verfügung stellt:

1. GasseChuchi K+A :
Gesunde Mahlzeiten, Begleitung, Mitarbeit, kontrollierter Drogenkonsum und Entlastung des öffentlichen Raums. (K+A steht für Kontakt und Anlaufstelle).

2. Paradiesgässli:
Freiwillige Anlaufstelle für Eltern mit Suchtproblemen und ihre Kinder

3. Schalter 20:
Einkommensverwaltung und Sozialberatung 4. Aufsuchende Sozialarbeit (aSa): Hilfe beim Hilfesuchen, mehrmals pro Woche sind Zweierteams von
Betreuenden auf der Gasse unterwegs.

5. DILU Drogeninformation Luzern:
Drug Checking und Beratung.

6. Seelsorge:
Mit Menschen sprechen, feiern und trauern.

Frau Allemann orientiert uns spezifisch über die Angebote und Aufgaben der GasseChuchi. Die GasseChuchi ist Anlauf- und Kontaktstelle für sucht- und armutsbetroffene Menschen von der Gasse und begleitet sie in Krisen und im Alltag. Am Geissensteinring 24 erhalten sie täglich ein Frühstück und ein Mittagessen, Beratung, sowie die Möglichkeit, an Animationsangeboten teilzunehmen, soziale Kontakte zu pflegen oder einfache Arbeiten zu verrichten. Gegenwärtig sind rund 500 Klienten registriert. Täglich nehmen rund 60-80 wechselnde Klienten die Angebote der GasseChuchi in Anspruch. Schlafplatze werden keine angeboten. Die GasseChuchi legt auch grossen Wert auf Öffentlichkeitsarbeit. Regelmässig besuchen Schulen, Vereine und andere Interessengruppen die GasseChuchi, um Einblick in das Leben von sucht- und armutsbetroffenen Menschen zu erhalten. Mundwerk, das Cateringangebot der GasseChuchi organisiert Aperos und Essen für ein öffentliches Publikum und eröffnet zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten für sucht- und armutsbetroffene Menschen. Die GasseZiitig Lozärn, „Die Zeitung von den Randständigen für die Anständigen“ erscheint drei Mal pro Jahr. Der Verkauf wird von den Gassenleuten selber betrieben, welche auch den Grossteil des redaktionellen Inhalts beisteuern. Der Verkaufspreis beträgt 2 Franken, wovon die Verkaufenden die Hälfte behalten dürfen.

Nach diesen äusserst interessanten, aber auch aufwühlenden Informationen begeben wir uns auf den Rundgang durch das Haus. Der Bau wurde 2007 von der Stadt Luzern erstellt und wird vom Verein Kirchliche Gassenarbeit gemietet. Im Obergeschoss bietet das Haus Raum für den Konsum von mitgebrachten Drogen unter hygienischen und stressfreien Bedingungen, für medizinische Grundversorgung und Beratung sowie für die Möglichkeit von Körperpflege und Kleidertausch. In der GasseChuchi werden keine Drogen abgegeben, jedoch ist im Hinterhof der Kleindeal für den Eigengebrauch erlaubt. Es können Spritzensets gratis bezogen und Spritzen getauscht werden. Frau Allemann hält fest, dass sich die Schweizerische Drogenpolitik seit 30 Jahren bewährt und der eingeschlagene Weg dazu geführt hat, dass sich dank dieser Angebote die Situation für die Suchtkranken wesentlich verbessert hat. Es gibt keine offenen Drogenszenen mehr, die Zahl der „Neueinsteiger“ ist markant rückläufig und glücklicherweise sind auch immer weniger suchtbedingte Todesfälle zu beklagen. Präsidentin Rosy Flury Bissig bedankt sich ganz herzlich bei Frau Allemann für ihre äusserst interessanten, kompetenten Ausführungen und den sehr spannenden, nachdenklich stimmenden Besuch in der GasseChuchi.

Quelle Bilder: Verein Kirchliche Gassenarbeit / Jutta Vogel