06.02.2024
Der Museumsleiter Engelbert Bürgler
begleitet uns ins ehemalige Munitionsmagazin, das heute als Ausstellungsraum genutzt wird und nimmt uns mit auf eine interessante Reise in die Vergangenheit.
Ab 1. September 1939 tobte der Zweite Weltkrieg, der auch in der Schweiz zur Mobilmachung führte. Tausende Soldaten standen im Einsatz, um die Grenzen unseres Landes zu sichern. Mit der Kapitulation Frankreichs entstand für die Verteidigung der Schweiz eine völlig neue Situation, sie war rundum von Achsenmächten eingekreist. Im Juli 1940 informierte General Guisan anlässlich des Rütlirapports über den Plan einer neuen Verteidigungsstrategie, des „Réduit national“. Im Falle eines Angriffs der Achsenmächte sollte sich die Verteidigung der Schweiz auf das Gebiet der Hochalpen mit den wichtigen Passübergängen, vor allem dem Gotthardmassiv, konzentrieren und notfalls alle Zufahrten zu den Bergen zerstören. Als Teil des Réduit wurden in der Folge allein rund um den Vierwaldstättersee acht Festungsanlagen errichtet, einige davon im Kanton Nidwalden: Kilchlidossen am Bürgenstock, Mueterschwandenberg in Ennetmoos, Wissiflue in Dallenwil und Fürigen in Stansstad.
Die Festung Fürigen versteckt sich vollständig getarnt hinter den schroffen Felswänden des Bürgenbergs. Der Baubeginn erfolgte 1941. Es wurde an sechs Tagen rund um die Uhr im Zwei-Schicht-Betrieb gearbeitet: 11 Stunden Arbeit und eine Stunde Pause um den Staub der Sprengungen abziehen zu lassen. Nach nur 25 Wochen waren die Sprengarbeiten bereits abgeschlossen und nach einer Bauzeit von insgesamt 20 Monaten war die Festung bezugsbereit!
Fürigen war die kleinste Festungsanlage im Kanton Nidwalden, aber strategisch wichtig. Im Falle eines Angriffs hätte das Artilleriewerk dazu beitragen sollen, einen deutschen Vormarsch in die Alpenregion abzuwehren. Mit zwei Festungskanonen sollten primär die Lopperstrasse und der Renggpass gesichert bzw. gesperrt werden. Die Kanonen mit ihrer Reichweite von 10 – 12 km hätten jedoch Ziele bis weit über Luzern hinaus erreichen können. Aus den beiden Kanonen sind insgesamt 100 scharfe Schuss abgefeuert worden, glücklicherweise immer nur zu Übungszwecken. Der letzte Schuss fiel 1947. Zusätzlich sind auf verschiedenen Ebenen drei Maschinengewehre mit einer Kapazität von je 1000 Schuss pro Minute installiert. Sie sollten zusammen mit einem starken Scheinwerfer zum Ausleuchten, sowie einem Boot auf dem See, in erster Linie dem Schutz der Festung dienen. Auch im Kalten Krieg blieb die Festung, ausgerichtet auf neue Bedrohungsszenarien, in Betrieb. Sie wurde durch fest angestellte „Festungswächter“ bewartet und für Wiederholungskurse genutzt, bis sie 1987 durch die Schweizer Armee aufgegeben wurde. 1990 konnte der Kanton Nidwalden die Anlage käuflich erwerben und machte sie 1991 der Bevölkerung als Museum öffentlich zugänglich.
Herr Bürgler führt uns nun auf den Rundgang durch das Festungsmuseum und wir nehmen Einblick in das Leben und den Alltag der Männer, die in Fürigen von 1942 bis in die 1980er Jahre ihren Dienst leisteten. Die Festung Fürigen ist die einzige Festungsanlage im Kanton Nidwalden, die noch originalgetreu erhalten ist. Sie verläuft mit einigen Kavernen rund 200 Meter in den Berg und liegt ca. 70 Meter unter dem Bürgenberg-Kamm. Die Frischluftzufuhr ist über einen sehr gut getarnten Frischluftstollen gewährleistet. Drei Ventilationsanlagen sorgen für die Umwälzung der Luft. Zusätzlich sollen leistungsstarke Filter das Eindringen von Schadstoffen, wie Rauch bei einem Waldbrand oder Chemische Gifte verhindern. Aus Sicherheitsgründen ist die Festung ausserdem mit einer Gasschleuse ausgerüstet und verfügt über ein Feuerwehrmagazin. Die elektrische Energie wird mittels Notstromgruppen erzeugt. Die gelagerten Ölreserven reichen aus, um die Festung während drei Monaten mit Strom zu versorgen. Die Wasserversorgung wird über ein Reservoir mit einem Fassungsvermögen von 50000 Litern sichergestellt, das mittels Pumpen mit Wasser aus dem Vierwaldstättersee gespeist wird. In der Festung gibt es nur kaltes Wasser und für den Verzehr muss es jeweils abgekocht werden.Herr Bürgler führt uns nun zum Bereich Bewaffnung und erklärt uns die für den Ernstfall vorgesehenen Abläufe. Zuerst besuchen wir das Büro der Feuerleitstelle, bei welcher die externen Aufträge für den Einsatz der Waffen eingingen. Die Kommunikation mit der Aussenwelt fand mittels telefonischer Funkverbindung und drei Amtstelefonen statt. Die Spezialisten errechneten die Koordinaten und leiteten die Daten an die Soldaten im Geschützstand weiter. Dort sind noch die Originalkanonen zu bestaunen, die von Soldaten (Puppen, uniformiert aus der damaligen Zeit), für den Abschuss der Kugeln gemäss Vorgabe der Leitstelle vorbereitet wurden. Weiter werfen wir einige Blicke auf die Maschinengewehrstände mit den Originalwaffen und hoch über uns auf den Scheinwerferstand. Sehr beeindruckend!
Die Festung Fürigen ist für 100 Mann eingerichtet. Für den Unterkunftsbereich ist eigens ein kleiner doppelstöckiger, vom Fels unabhängiger Gebäudetrakt erstellt worden. Er verfügt über 52 Betten im Massenlager für 80 Soldaten, ein Büro mit integrierter Liegestelle für den Kommandanten, 13 Betten für Offiziere und Unteroffiziere sowie eine Dusche und drei WC. Im Weiteren findet man in diesem Gebäude die vollständig eingerichtete Küche mit Holzkochherd und den Mannschafts-Essraum, sowie die Sanitätsräume mit Untersuchungszimmer, Operationsraum und Krankenzimmer. Die Arbeitseinteilung sah vor, dass ein Drittel der Soldaten an der Waffe Dienst taten, ein Drittel war für die Aussenverteidigung verantwortlich und das restliche Drittel erledigte den Werksunterhalt. Die Vorräte für den täglichen Gebrauch sowie das Munitionslager waren derart bestückt, dass die Festung während 14 Tagen ohne Nachschub funktionieren konnte.
Nach der Begehung und den interessanten Erläuterungen von Herr Bürgler sind wir von diesem Werk tief beeindruckt. Insbesondere ziehen den Hut vor all den vielen Männern, die im Laufe der Jahrzehnte unter Tage und in beengenden Verhältnissen zuverlässig ihren Dienst am Vaterland geleistet haben.